Kugel- oder Parabolspiegel?

Immer mal wieder taucht in Internetforen oder in Facebookgruppen die Behauptung auf, dass ein Spiegel in einem Newtonteleskop auf jeden Fall ein Parabolspiegel sein muß.
Ein Kugelspiegel (Sphäre) würde keine brauchbare Abbildung liefern.

Aber stimmt das wirklich?
Klare Antwort: Nein!
Richtige Antwort: Es kommt auf das Öffnungsverhältniss an!
Ist das Öffnungsverhältnis ausreichend klein, also f/6 und kleiner („langsamer“) macht sich die Abweichung einer Sphäre von der einer Parabel nicht mehr so deutlich, bis gar nicht bemerkbar.
Die optischen Fehler, die sich bemerkbar machen können, sind die sog. sphärische Aberration (besser Kugelgestaltsfehler) und Unterkorrektur. Die Strahlen aus dem Unendlichen landen nicht alle im Brennpunkt, sondern „streuen“ in einem Bereich vor und hinter dem eigentlichen Brennpunkt.
Dieser Bereich ist aber um so kleiner, je kleiner das Öffnungsverhältnis ist.

Ich selber habe viele Jahre sehr schöne Beobachtungen mit einem klassischen Einsteiger Newton mit 114mm Öffnung und 900mm Brennweite gemacht. In diesem Teleskop ist ein Kugelspiegel verbaut. Das Gerät hat alles gezeigt, was ein Teleskop mit dieser Öffnung zeigen kann. Ich habe damit sehr schöne Mondbeobachtungen gemacht und an Mars im Jahr 2003 atemberaubende Details sehen können. Jupiter, bei gutem Seeing mit feinen Details in seiner Atmosphäre. An ausreichend hellen Objekten waren Beobachtungen bis 180x kein Problem. Auch Deepsky geht mit einem solchen Teleskop, vor allem kleine, helle planetarische Nebel machen richtig Spaß. Die Schärfe ist nie einbrochen, wenn das Seeing es erlaubt hat. Sauber justiert zeigt auch der Sterntest keine Auffälligkeiten. Auch Mitbeobachter waren von der Abbildung angetan.

Die Messung des Spiegels habe ich mit einem Bath-Interferometer durchgeführt. Wie das aussieht habe ich hier schon beschrieben.
In der Zwischenzeit habe ich dieses aber noch etwas verbessert. Es ist ein anderer Teilerwürfel im Einsatz, dadurch kann ich nun auch Interferogramme mit einem hochwertigen grünen Laser erzeugen. Der Vorteil liegt darin, dass die Auflösung bei 532nm höher ist als bei einem roten Laser mit 630nm.
Für die Auswertung habe ich mehrere Interferogramme verwendet. Je acht in 0° und in 90° Stellung. Damit kann man zuverlässig einen Asti durch den Teststand beseitigen und kann sicher sein, dass ein Asti, der in der Auswertung auftaucht auch wirklich im Spiegel ist. Vier Messungen (0, 90, 180, 270°) sind bei diesem Spiegel nicht notwendig.
Der Spiegel wird im Teststand lateral auf zwei Unterlegscheiben mit 90° Abstand genau auf der Schwerelinie gelagert und von hinten in einem Punkt nur leicht gestützt.
Hier eines der Interferogramme:


Das Ergebnis der Messung hat mich ein wenig überrascht, auch wenn ich schon wusste, dass der Spiegel ziemlich gut ist.
Ich zeige hier zwei unterschiedliche Auswertungen, die aber alle auf den gleichen Interferogramen beruhen. Der Unterschied besteht darin, dass die Auswertung einmal bezogen auf eine Parabel und einmal bezogen auf eine Sphäre erfolgt.
Hierzu kann man im Programm DFTFringe die konische Konstante entsprechend vorgeben.
Eine „0“ steht für eine Kugel, „-1“ entspricht einer Parabel.

Kommen wir also zu dem Messergebnis:
Bezogen auf eine Parabel sieht der Spiegel so aus:

Die Auswertung sieht zunächst so aus, als ob der Spiegel in der Mitte einen Berg hat, obwohl er ja sphärisch ist. Das liegt daran, dass der Konturplott die Form bezogen auf eine bestimmte Referenz darstellt und nicht die tatsächliche Form wie einen Schnitt durch die Mitte darstellt. Die jeweilige perfekte Form wäre ein gerader Strich. Der Plott zeigt die Abweichung von der gewählten Form. Wir haben eine Parabel gewählt und von dieser weicht der Spiegel in der Mitte und auch am Rand ab. Der Spiegel ist unterkorrigiert.
Die Mitte müsste tiefer sein, der Rand steht noch zu hoch.
Auch zu erkennen im zweiten Bild. Dort findet sich die Werte „Best Fit Comic: -0,221“ und „SANull:-0,1321“, Ziel wäre „-1“
Wenn man sich im Plott aber mal die beiden roten Markierungen anschaut, die jeweils bei +1/8 und -1/8 liegen, sieht man, dass der Spiegel sich noch in dieser Grenze befindet. Er weicht also insgesamt nur etwa 1/4 Lichtwellenlänge von der idealen Form ab.
Die verwendete Wellenlänge ist 532nm. Demnach also eine Abweichung von 133nm.
Das sind 131 Millionstel Zentimeter! Nur um mal die Größenordnungen aufzuzeigen. Ein Frauenhaar ist im Schnitt 0,06-0,08mm dick.
Diese Maß wird allgemein als „Beugungsbegrenzt“ beworben. Es drückt sich auch im Strehl aus. Dieser liegt hier bei 0,92. Die Grenze für einen brauchbaren Spiegel liegt bei 0,80.

Die Frage die sich stellt ist, ob und wie sich diese Unterkorrektur auf die Abbildung eines Stern auswirkt. Bei einem Newton benötigt man einen Fangspiegel, der mittig über dem Hauptspiegel angebracht wird und das Licht um 90° seitlich auslenkt. In DFTFringe können wir virtuell einen Fangspiegel einbauen. In diesem Falle des 114/900 hat der Fangspiegel einen kleinen Durchmesser von 30mm. Die Auswertung und das, was man tatsächlich sehen könnte, sieht dann so aus:

Der Strehlwert steigt ganz leicht auf 0,94 und der Oberflächenfehler geht auf 0,038 RMS zurück.
Dieser Spiegel liefert, obwohl „nur“ sphärisch eine ziemlich gute Abbildung.
Im simulierten Sterntest zeigt sich auch das, was ich am Himmel mit diesem Spiegel sehen kann. Intrafokal ist das Bild etwas heller als Extrafokal und ein leicht aufgehellter Randbereich ist zu erkennen.
Im Fokus ist das Bild nahezu perfekt. Am echten Stern war der zweite Beugungsring nicht so deutlich zu sehen, wie in der Simulation. Es brauchte schon sehr gutes Seeing und ein Okular, dass diese Vergrößerung liefert, um das zu sehen.

Wie sieht die Auswertung bezogen auf eine Sphäre aus?
Hier sieht man, dass der Spiegel eine nahezu perfekte Form hat. Der Rand ist minimalst zu tief, über die Fläche praktisch perfekt. Besser kann man eine Sphäre kaum machen.
Diesen Spiegel werde ich in Zukunft für die Vermessung von Fangspiegeln verwenden und vielleicht kommt auch auch nochmal am Himmel zu Einsatz.

Das Fazit lautet also, ein Newtonspiegel muß nicht zwingend ein Parabolspiegel sein.
Ist das Öffnungsverhältnis klein genug, wird man den Unterschied am Himmel nicht sehen.
Der Unterschied zwischen Sphäre und Parabel beträgt bei f/8 weniger als 1/4 Lichtwellenlänge. Mit so einem Spiegel wird man das sehen können, was mit dieser Öffnung möglich ist und das ist schon eine Menge.
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn dieses Öffnungsverhältnis über zusätzliche Elemente erreicht wird. Das sind sogenannte katadioptrische Teleskope. Grundsätzlich ist das keine schlechte Lösung, man muß es nur richtig machen. Viele Profiteleskope verwenden brennweitenverlängernde Optiken.
Das Problem bei Einsteigerteleskopen ist die Qualität der Zusatzoptiken und vor allem die mangelhafte Mechanik, die den Spaß an der Beobachtung nimmt. Die Linsen bestehen oft aus sehr einfachen Barlowlinsen ohne zusätzliche Korrekturelemente. Die Vergütungen sind meist von einfacher Qualität. Sie führen Farbfehler ein und sind bei höheren Vergrößerung mangels Schärfe sehr schnell unbrauchbar. Wenn dann noch eine fragwürdige Gesamtmechanik dazu kommt, wird es für den Anfänger nicht mehr lustig. Zu erkennen sind sie, wenn es nicht ohnehin draufsteht, dass sie eine kurze Bauform haben aber Brennweiten zwischen 1000 und 1400mm haben. Von solchen Teleskopen rate ich ab. Sie dienen eher dazu dem Hobby nicht weiter nachzugehen.